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Archiv-Artikel

Bastürk lässt die Hertha jubeln

Nach dem Ende seiner Verletzung war der Hertha-Neuzugang am Samstag einer der Matchwinner beim 3:1-Erfolg gegen Bayer Leverkusen. Bei aller Euphorie stellt sich aber die Frage: War Hertha schon gut oder Bayer noch immer schlecht?

VON MATTI LIESKE

Die Zufriedenheit im Gesicht des kleinen Mannes war unverkennbar, als er in der 73. Minute gemessenen Schrittes an den Spielfeldrand schritt, um sich nach getaner Arbeit auswechseln zu lassen. Zwar war der Sieg von Hertha BSC gegen Bayer Leverkusen noch nicht unter Dach und Fach, doch auf Yildiray Bastürk prasselte schon mal von allen Seiten vorfreudiger Beifall der 47.152 Zuschauer herab. Mit erhobenen Händen klatschte der türkische Mittelfeldspieler zurück, ein Beifall, der dem Publikum, aber wohl auch ein wenig ihm selbst galt. Eine Viertelstunde später war der verdiente 3:1-Erfolg perfekt und Bastürk sagte: „Das erste Match, und gleich ein Sieg gegen Leverkusen. Was will ich mehr?“

Zum ersten Mal nach seinem Wadenbeinbruch hatte Herthas Neuzugang von Anfang an gespielt und, obwohl längst noch nicht in Bestform, sogleich einen gewichtigen Teil zum Triumph über seinen Exklub beigetragen. Nicht nur mit seinem großartigen Steilpass auf Marcelinho, der den Freistoß brachte (welcher zum vorentscheidenden 2:0 von Thorben Marx in der 52. Minute führte), sondern vor allem dadurch, dass er die Erwartung von Trainer Falko Götz erfüllte, durch seine Präsenz alle anderen im Team ein bisschen besser zu machen. „Bastürk hat unser Spiel enorm belebt“, lobte der Hertha-Coach.

Mit seiner Ballsicherheit, der Fähigkeit, sich im direkten Duell durchzusetzen und seinen klugen Pässen ist der türkische Nationalspieler genau das Element, welches den Herthanern in der letzten Saison so bitterlich fehlte. Die perfekte Ergänzung zu Marcelinho und eine zuverlässige Anspielstation im Mittelfeld, die den Kollegen Sicherheit gibt, weil sie wissen, dass er die Bälle, die er bekommt, nicht gleich wieder verliert.

„Endlich konnten wir mit unserer Wunschformation antreten“, freute sich Götz und ließ keine Zweifel daran, dass das taktische Konzept vom Samstag Zukunft haben wird in seinem Team. Nur eine Spitze also, in diesem Fall Bobic, der mit zwei Torvorbereitungen – eigentlich drei, da er den Freistoß vor dem 2:0 herausholte – kaum Wünsche offen ließ.

Dahinter ein massives Mittelfeld mit den Kreativpunkten Marcelinho und Bastürk, denn Rennern Gilberto und Marx sowie Niko Kovac als Abräumer. Jeder dieser Spieler ist torgefährlich, weshalb Götz auch die bisher dürftige Trefferausbeute seiner Stürmer nicht stört: „Es gibt keine Sturmmisere.“

Der erste Heimsieg hatte allen Verantwortlichen bei Hertha BSC ein behagliches Lächeln ins Gesicht gezaubert, nicht zuletzt dem Manager. „Das macht einfach Spaß“, sagte Dieter Hoeneß über das Zusammenspiel von Marcelinho und Bastürk, legte aber Wert darauf, dass die Mannschaft bereits vorher „funktioniert“ habe, „auch wenn die Ergebnisse nicht stimmten“.

Mit dem Sieg gegen Leverkusen ist bei den Herthanern endgültig die Gewissheit eingekehrt, dass sich der Horror der vergangenen Saison mit dem Abstiegskampf bis zum Schluss in dieser Spielzeit nicht wiederholen wird. Stattdessen darf man sich getrost nach oben orientieren, zumindest wenn die Protagonisten des Erfolgskurses gesund bleiben. „Das war Euphorie pur – so wird es für jeden Gegner schwer, uns zu schlagen“, jubilierte Niko Kovac sogar schon ein bisschen über-überschwänglich.

Die Frage ist natürlich zunächst, inwieweit Bayer eigentlich als Gradmesser taugt. Fragte man die Leverkusener – dann überhaupt nicht. Diese suchten die Schuld für die Niederlage nämlich keinesfalls in der Klasse des Gegners, sondern ausschließlich bei sich selbst. In typisch Leverkusener Weltuntergangsrhetorik geißelten sie sich wegen anfängerhafter Fehler, und Carsten Ramelow verkündete, als säße ihm Calmunds Geist im Nacken, dass man auf diese Art wohl kein einziges Spiel mehr gewänne.

Bayer-Trainer Klaus Augenthaler leistete einen ebenso unfreiwilligen wie verräterischen Beitrag zum grassierenden Defätismus, als er eigentlich das merkwürdige Auf und Ab in der Leistungskurve seines Teams beschreiben wollte, ihm aber der Satz entfleuchte: „Dies ist ein Wellental ungewöhnlichen Ausmaßes.“